Agilität ist mehr als ein Buzzword. Für die allermeisten Start-ups aus der Tech- und Digitalbranche liegt in diesem Zauberwort der Schlüssel zum Erfolg. Das Geheimnis: Agilität macht flexibel. Flexibilität macht kreativ. Und Kreativität bringt Innovation, durch die sich jedes Unternehmen von anderen auf dem Markt abgrenzt. Alteingesessene, größere Unternehmen gucken da manchmal sprichwörtlich "dumm aus der Wäsche".
Sie investieren ein Riesenbudget, haben hunderte Spezialist*innen – und können doch nie mit dem Wachstum eines erfolgreichen Start-ups mithalten. Aber selbst agil werden? Ist zwar sicher eine Idee wert, aber auch eine riesige Herausforderung.
In diesem Artikel erfahren Sie deshalb,
- was agile Start-ups so erfolgreich macht,
- welche Methoden sie dafür anwenden
- und wie auch traditionelle Unternehmen eine Lean-Startup-Methode bei sich etablieren können.
Wenn den großen Unternehmen die Entrepreneurship fehlt
Viele große, etablierte Unternehmen schauen mit einer Mischung aus Anerkennung und Argwohn auf die tausenden kleinen Firmen, die ständig überall aus dem Boden sprießen und mit nur einer vagen Idee plötzlich riesige Erfolge zu feiern scheinen. Vielleicht haben Sie dieses Gefühl auch schon in sich bemerkt. Und sich die Frage gestellt: Wie machen die das? Und vor allem: Was haben die, was wir nicht haben?
Am Budget – so viel steht fest – kann es nicht liegen. Start-ups starten oft mit einer Handvoll Dollars, von zu Hause aus oder in einem winzigen Geschäftsraum. Sie haben keine oder nur wenige Angestellte, garantiert nicht das neuste Büroequipment und nur selten jahrelang erprobte Expertise in einem Bereich. Was also macht ihren rasenden Erfolg möglich?
Nun, zu allererst ist es schlicht und einfach das Mindset. Start-ups geben alles. Kompromisslos. Sie glauben nicht nur an ihre Idee, sie brennen für sie. Das müssen sie auch. Denn wenn der Start misslingt, haben sie – anders als etablierte Unternehmen – kaum finanzielle Polster, auf die sie zurückfallen können. Genau dieses Polster, dieses Wissen, dass wenn ein Projekt nicht klappt, das nächste doch sicher hinhaut, sollte eigentlich ein großer Vorteil der etablierten Unternehmen sein. Im Bereich Innovation kann es allerdings auch ausbremsen. Start-up-Mentalität funktioniert hier viel eher als ein Motor, weil sie auf echter Entrepreneurship fußt – der frischen Energie des kreativen Unternehmertums. Aber wie sieht das aus?
10 Dinge, die Start-ups besser machen
1. Start-ups reagieren schneller
Entscheidungen werden schnell getroffen, Veränderungen wahrgenommen und Prozesse sofort adaptiert. Diese Geschwindigkeit oder velocity bildet den Grundsatz agiler Arbeitsweisen. Wer agil plant, kann schnell umswitchen, den Kurs ändern und Projekte an abgewandelte Konditionen anpassen. Heraus kommen Ergebnisse, die zum Zeitpunkt der Projektfinalisierung den Bedürfnissen der Anwender*in bestmöglich entsprechen. Ein Unternehmen, das seine Projekte klassisch im Sinne der Wasserfall-Methode steuert, kann da unmöglich mithalten.
2. Start-ups trauen sich, auszuprobieren
Während etablierte Unternehmen oft vor jeder Neuerung zurückschrecken, probieren Start-ups aktiv verschiedene Varianten aus, bis sie diejenige gefunden haben, die am besten funktioniert. Natürlich ist es viel einfacher, Dinge einfach mal zu riskieren, wenn wenig zu verlieren ist. Andererseits haben Start-ups wie gesagt auch kaum finanziellen Rückhalt, falls etwas gründlich in die Hose geht. Genau deshalb ist auch die Geschwindigkeit, in der Dinge ausprobiert und analysiert werden, in der Regel viel höher als bei etablierten Unternehmen. Start-ups testen, testen, testen – und ziehen sofort konstruktive Schlüsse daraus, die sie umsetzen.
3. Start-ups sehen ihr Produkt immer aus Kundensicht
Etablierte Unternehmen versuchen natürlich auch, stets ihre Kund*innen im Blickfeld zu haben. Allerdings verliert diese Sichtweise über die Jahre manchmal etwas an Schärfe. Kundenwünsche und Unternehmensgrundsätze verschwimmen leicht, obwohl sie vielleicht gar nicht mehr zusammenpassen. Bei Start-ups ist das anders. Um anfangs erfolgreich zu sein, müssen sie ihr Produkt oder ihre Dienstleistung zu 100 % aus den Augen ihrer potenziellen Kund*innen betrachten. Das bringt sie dazu, immer wieder abzugleichen, ob ihre Annahme rund um Kundenwünsche überhaupt mit der Realität übereinstimmt. Demnach können sie viel schneller Produktanpassungen vornehmen, wenn die Bedürfnisse ihrer Kund*innen das erfordern.
4. Start-ups machen gewagtere Werbung
Natürlich gibt es auch große, lang erfolgreiche Unternehmen, die sich in puncto Marketing an gewagte Gefilde trauen. Dann allerdings hat sich diese Strategie, wie beim Beispiel SIXT, als Markenzeichen etabliert. Start-ups hingegen trauen sich – ganz nach dem Prinzip des Ausprobierens – immer wieder eine neue Richtung in der Außenwirkung einzuschlagen. Das funktioniert selbstverständlich nur, solange sie ihren Unternehmenswerten treu bleiben. Das „Wie“ des Marketings kann dann aber enorm helfen, ihre Positionierung zu schärfen. Das haben viele etablierte Unternehmen schlichtweg nicht „auf dem Schirm“ – und brauchen sich dann nicht zu wundern, wenn sie keine neue Zielgruppe ansprechen.
5. Start-ups haben kurze Wege
Als etabliertes Unternehmen können Sie jetzt scherzen, dass in einem 1-Raum-Geschäft auch kein Platz für lange Wege ist. Das stimmt natürlich. Aber abgesehen von der räumlichen Nähe aller Angestellten, die in Start-ups auch durchaus so gewollt ist, spielt die Nähe in den Köpfen eine viel größere Rolle. In Start-ups herrschen flache Hierarchien. Im Idealfall spricht jede*r mit jede*m – und kann in weitaus größerem Maß selbstständig Entscheidungen treffen als es bei etablierten Unternehmen der Fall ist. Die Bürokratie ist dabei auf ein Mindestmaß reduziert. Und all das führt auch wieder zu dem einen entscheidenden Vorteil von Start-ups gegenüber etablierten Unternehmen: Sie arbeiten einfach schneller.
6. Start-ups packen gemeinsam an
Ein Nebeneffekt der flachen Hierarchien bei Start-ups ist eine hohe aktive Eigenverantwortlichkeit bei den Mitarbeiter*innen. Während sich in traditionellen Unternehmen oft Abteilung A überhaupt nicht für Abteilung B verantwortlich fühlt oder auch nur im Austausch mit ihr steht, fühlen sich im Start-up idealerweise alle einer Sache verpflichtet. Damit einher geht ein Intrapreneuer-Mindest und das Wertvollste, was Sie in Mitarbeiter*innen finden können: Sie fühlen sich für das Unternehmen verantwortlich, als wäre es ihr eigenes. Alle helfen, wo notwendig. Alle richten ihr Tun auf ein gemeinsames Ziel. Sprich: Alle bilden ein Team.
7. Start-ups schätzen Mitarbeiter*innen wert
In Start-ups kennen alle Teammitglieder einander persönlich. Allein das führt natürlich schon zu einer Atmosphäre der familiären Vertrautheit. Aber was noch viel wichtiger ist, ist das dahinterstehende Mindest: Jede*r Mitarbeiter*in wird als Person verstanden und wertgeschätzt. Konstante Feedbackrunden, Teamevents und Gespräche auf Augenhöhe gibt es hier meist öfter als in etablierten Unternehmen. Das alles führt zu einer starken Identifikation mit dem Erfolg des Unternehmens und dem gesteigerten Willen, dafür hart zu arbeiten.
8. In Start-ups schaut jede*r über den Tellerrand
Ein zentraler Faktor von funktionierender Entrepreneurship ist die Bereitschaft, ständig dazu zu lernen. In Start-ups ist diese natürlicherweise sehr hoch. Viele Dinge werden zum ersten Mal ausprobiert, völlig neue Prozesse in Gang gesetzt und unbekannte Märkte erschlossen. Es ist also notwendig, dass möglichst viele Teammitglieder dazu bereit sind, sich ständig weiterzubilden, Informationen großzügig zu teilen und in die Arbeitsbereiche der anderen zu blicken. Oft funktionieren agile Start-ups in crossfunktionalen Teams – also solchen, die aus Teammitgliedern unterschiedlicher Fachbereiche bestehen. Anders als bei der traditionellen Teamzusammensetzung, wo nur Mitarbeiter*innen aus ein und derselben Fachrichtung zusammensitzen, kommt in gemischten Teams geballtes Wissen zum Einsatz. Das verschafft Start-ups in ihrer Geschwindigkeit und fachlichen Weiterentwicklung einen extremen Vorteil.
9. Start-ups kommunizieren besser untereinander
Flache Hierarchien, persönliche Wertschätzung, Teamgefühl – all das führt zu einer aktiveren, unmittelbareren Kommunikation in Start-ups. Offenheit heißt hier das Schlüsselwort. Während es in größeren Unternehmen oft kaum bis keinen Austausch zwischen einigen Mitarbeiter*innen gibt, sorgen in Start-ups regelmäßige Stand-ups und Team-Meetings für ständigen Informationsflow. Dabei ist es wichtig, allen Gehör zu verschaffen, die relevante Informationen bereithalten.
10. Start-ups ruhen sich nicht auf ihren Lorbeeren aus
Ein echtes Unternehmer-Mindset zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass nach dem Sale vor dem Sale ist. Erfolge werden gebührend gefeiert – um dann auch schon wieder loszulegen. In traditionellen Unternehmen ist diese Macher-Mentalität manchmal etwas eingeschlafen, da man Erfolg ja ohnehin gewohnt ist. Das kann zu Innovationsschwäche und Stagnation führen.
Die 4 Grundregeln des Agilen Manifests für Start-up-Mentalität
Das Agile Manifest ist ein vielgenutztes und praktisches Regelwerk für Unternehmen, die agil nach Scrum arbeiten wollen. Es fußt dabei stark auf den Grundsätzen der Start-up-Mentalität. Diese ist in vier hierarchisch gegliederten Grunddevisen festgehalten:
- Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.
- Funktionierende Software ist wichtiger als detaillierte Dokumentation.
- Kooperation mit Kund*innen ist wichtiger als Vertragsverhandlung.
- Das Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Festhalten an einem Plan.
Start-up-Mentalität gründet also auf einem eindeutig definierten Werteverständnis. Dabei sind Menschen wichtiger als Dinge. Funktionalität ist wichtiger als Bürokratie. Direkte Kommunikation und Kooperation mit Kund*innen hat immer Vorrang zu etwaigen Vertragsverhandlungen (wobei natürlich auch Grenzen gesetzt werden müssen). Und – der zentrale Leitsatz agiler Prozessteuerung: Flexibilität hat Vorrang gegenüber dem Befolgen von Regeln.
" Dabei sind Menschen wichtiger als Dinge. Funktionalität ist wichtiger als Bürokratie. Direkte Kommunikation und Kooperation mit Kund*innen hat immer Vorrang zu etwaigen Vertragsverhandlungen."
Start-up-Mentalität im eigenen Unternehmen etablieren
Sie wissen, dass auch in Ihrem Unternehmen Start-up-Mentalität dringend gefragt ist, damit sie künftige Erfolge sichern und steigern können? Dann überlegen Sie sicher nicht erst seit diesem Artikel, wie Sie agile Arbeitsweisen und Selbstmach-Mindset in ihrem Team etablieren können. Gar nicht so leicht, denn natürlich ist es das eine, bei Null anzufangen und mit der frischen Energie von Beginner*innen ans Werk zu gehen. Das Andere ist es, diese Energie wiederzuerwecken, wenn ein Team schon größer und ein Unternehmen in einer Branche schon etabliert ist. Folgende Schritte können dabei nützlich sein:
- Schaffen Sie überall unmittelbare Kommunikationsräume
Lean-Start-up-Mentalität ist auf Austausch begründet. Schaffen Sie also Raum dafür. Wichtig ist, dass komplexe Prozesse visualisiert werden können, damit alle sie begreifen. Projektboards oder ganze Design Thinking Spaces sind dafür bestens geeignet. Lassen Sie Ihre Wände sprechen. Nutzen Sie jeden Raum für direkte, auf das Nötigste reduzierte und ansprechend visualisierte Informationsvermittlung. Seien Sie stets so transparent wie möglich. Das schafft Nähe zu Ihren Mitarbeiter*innen.
2. Etablieren Sie agile Prozesse im gesamten Unternehmen
Führen Sie – nach Möglichkeit – agile Projektsteuerung nicht nur in der IT-Abteilung, sondern in Ihrem gesamten Unternehmen ein. Scrum oder Kanban bilden dafür die passenden Grundgerüste. Nehmen Sie an Scrum-Schulungen teil bzw. bilden Sie Ihre Mitarbeiter*innen zu Scrum Masters aus. Es muss natürlich nicht strikt an allen Regeln des Scrums festgehalten werden. Viele Muster der agilen Prozesssteuerung bringen aber für wirklich jedes Team einen enormen Nutzen. Arbeiten Sie beispielsweise iterativ in Sprints und lassen Sie jedem Sprint eine Retrospektive folgen, in der sich alle am Projekt beteiligten Mitarbeiter*innen austauschen. Halten Sie diese Meetings stets fokussiert, indem Sie die Dauer festlegen. Mehr dazu, wie Scrum funktioniert, erfahren Sie in unserem Artikel „Wie schaffe ich Planbarkeit in IT-Projekten“.
3. Erzeugen Sie Intrapreneuership oder Ownership bei ihren Teammitgliedern
Sorgen Sie durch Gespräche auf Augenhöhe, Wertschätzung und Perspektiven für eine hohe Identifikation ihrer Mitarbeiter*innen mit Ihrem Unternehmen und den Produkten, an denen diese arbeiten.
4. Bilden Sie crossfunktionale Teams
Starten Sie mit einem crossfunktionalen Team, das aus Mitgliedern verschiedener Abteilungen besteht. Lassen Sie dieses testweise ein Projekt gemeinsam entwickeln und befragen sie alle zu ihren Erfahrungen. Die Projektergebnisse und das Feedback ihrer Mitarbeiter*innen werden mit großer Wahrscheinlichkeit sehr positiv sein.
5. Führen Sie Scrum of Scrums ein
Das Scrum of Scrum ist ein tägliches Update-Meeting, in dem Vertreter*innen aus unterschiedlichen Teams sich treffen und über den Stand der Dinge, notwendige Veränderungen und neue Planungsschritte austauschen können. So fließen Informationen schneller und notwendige Adaptionen können sofort umgesetzt werden. Ein Scrum of Scrums ist dann von Vorteil, wenn Sie große Teams haben, die sich nicht geschlossen auf einmal treffen können, aber trotzdem zusammenarbeiten müssen.
6. Schaffen Sie ein bereichsübergreifendes und transparentes Anforderungsmanagement
Priorisierung von Projekten oder Projektschritten wird immer wichtiger, je größer Ihr Unternehmen wird. Damit auch hier effizientes Start-Up-Denken möglich bleibt, sollten sich die Product Owner regelmäßig zusammensetzen und gemeinsam über die Priorisierung diskutieren. Diese Entscheidungen müssen vor den Teams unbedingt transparent gemacht werden, damit diese sie verstehen und mittragen können.
7. Schaffen Sie Lernorte
Agile Arbeitsweisen lassen sich nur dann etablieren, wenn sie auch verstanden werden. Bieten Sie reduzierte Informationen, die schnell konsumiert werden können, zum Beispiel in Ihrem Intranet. Oder schaffen Sie firmeninterne Workshop-Runden, bei denen die Mitarbeiter*innen einander neue Dinge beibringen können. Auch ein (halber) Lerntag pro Woche kann die Start-up-Mentalität im Team voranbringen.
8. Stehen Sie zu Ihren Fehlern
Agilität beruht auf ständigem Lernen. Das heißt: Auch Sie als Unternehmensführung lernen dazu und dürfen Fehler machen. Wichtig ist, dass diese auch kommuniziert werden. Eine unantastbare, scheinbar perfekte Führung wirkt unglaubhaft und führt zu Distanz zu den Mitarbeiter*innen – also dem genauen Gegenteil von funktionierendem Start-up-Mindset.
9. Reduzieren Sie Hierarchien
Natürlich brauchen Teams Vertreter*innen in Form von Teamleadern oder Product Ownern, um die Kommunikation zwischen den Teams ab einer gewissen Größe zu vereinfachen. Das heißt jedoch nicht, dass bei jeder kleinen Entscheidung zig Hierarchie-Ebenen durchlaufen werden müssen. Je kürzer die Wege sind, desto schneller kommen Sie zum Ziel.
Wir hoffen, Ihnen hat der Artikel gefallen und wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer neuen, frischen Start-up-Mentalität in Ihrem Unternehmen. Wenn Sie Rückfragen haben, melden Sie sich gern bei uns.