Vielleicht überrascht Sie schon die Überschrift dieses Artikels, weil sie bisher dachten, dass Scrum und Kanban das gleiche sind? Dann sind Sie in guter Gesellschaft, denn tatsächlich werden die Begriffe in vielen agil arbeitenden Unternehmen synonym verwendet.
Allerdings gibt es zwischen der Kanban und der Scrum Methode feine Unterschiede, die Sie kennen sollten, wenn Sie Agiles Projektmanagement betreiben. Denn jede dieser beiden Methoden bringt spezielle Vorteile für Ihre Projekte.
In diesem Artikel lernen Sie, was die Scrum und die Kanban Methode jeweils ist, worin die Unterschiede bestehen und bei welcher Art von Projekten welche Methode besonders vorteilhaft für Sie und Ihr Unternehmen ist.
Scrum und Kanban im Überblick
- Was ist die Scrum Methode?
- Was ist die Kanban Methode?
- Worin unterscheiden sich die beiden Agilen Methoden?
- Welche Methode passt zu Ihrem Projekt?
- Fazit und eine dritte Möglichkeit
Scrum Methode kurz erklärt
Ebenso wie Kanban gehört die Scrum Methode zum Lean Software Development. Sie hilft Ihrem Unternehmen, die für die Produktentwicklung nötigen Arbeitsschritte zu priorisieren und zügig zu erledigen.
Das Ziel dabei: Je früher Sie ein funktionierendes Produkt oder Produkt-Feature an Ihre Kundschaft ausliefern, desto schneller bekommen Sie Feedback und können es passend zu Bedarf und Anforderungen der Käufer:innen optimieren.
In der Scrum Methode arbeiten Sie und Ihre Kolleg:innen in den folgenden definierten Rollen:
- Product Owner,
- Scrum Master
- und Entwicklungs-Team.
Die Produktentwicklung erfolgt bei der Scrum Methode in sogenannten Sprints (fest definierte Zeiträumen von beispielsweise 2 Wochen). In diesen Iterationen erstellt Ihr Team eine potenziell auslieferungsfähige Version eines Produkts oder Features, welche der vom Product Owner definierten Produkt-Vision folgt.
In der Release Planung zieht das Team Aufgaben aus dem Product Backlog (Sammlung der Anforderungen an das Produkt oder Feature, die der Product Owner priorisiert hat) in das Sprint Backlog. Das Team bewertet dabei den Aufwand der einzelnen Aufgaben und zieht genau so viel in den Sprint Backlog, wie es im nächsten Sprint abarbeiten kann.
Da bei der Entwicklung nach der Scrum Methode großer Wert auf Transparenz und Kommunikation unter den Team-Mitgliedern gelegt wird, finden tägliche Meetings statt: In diesen kurzen Daily Scrums bringt sich das Entwicklungs-Team gegenseitig auf den neuesten Stand, während der Scrum Master eventuelle Impediments (Hindernisse) aufnimmt und anschließend für deren Beseitigung sorgt.
Kanban Methode kurz erklärt
Genau wie Scrum ist auch Kanban eine Methode mit dem Ziel, die Produktivität Ihres Teams zu steigern. Zwar wurde diese Methode ursprünglich von Toyota entwickelt, doch lässt sie sich wunderbar auf Projekte in der Softwareentwicklung übertragen. Toyotas Plan dahinter war es nämlich, einen gleichmäßigen Flow in der Fertigung zu etablieren und dadurch Lagerbestände zu minimieren.
Die Ziele von Kanban als Agile Methode sind:
- den Arbeitsfluss zu visualisieren (und allen Team-Mitgliedern zu verdeutlichen, wofür sie jeweils gerade zuständig sind),
- die Work in Progress zu minimieren (also die Aufgaben, die in Ihrem Kanban-Board unter Doing hängen)
- und die Durchlaufzeit der Prozessschritte zu messen und zu optimieren.
Diese 3 Punkte haben das Hauptziel, möglichst viele Doings möglichst schnell in Done schieben zu können - sprich: die Produktivität zu erhöhen und den Entwicklungsprozess zu beschleunigen.
Das Kanban-Board
Den Mittelpunkt der Kanban Methode bildet das Kanban-Board: eine Tafel, an der auf Kärtchen die einzelnen Aufgaben abgebildet sind. Diese Kärtchen durchlaufen die folgenden Prozessschritte, die Sie je nach Bedarf ergänzen können:
- To-Do / Backlog / Zu erledigen
- Doing / In Progress / In Bearbeitung
- Test / In Review / In Prüfung
- Done / Abgeschlossen
Was an dieser Visualisierung so wertvoll ist:
Sie erkennen ganz leicht, wo sich gerade Arbeit staut, und können als Team überlegen, wie Sie diesen Bottleneck gemeinsam beheben können. Dazu macht das Kanban-Board sichtbar, welche:r der Beteiligten Unterstützung braucht und wer Kapazitäten frei hat.
Da sich Ihre Team-Mitglieder ihre Arbeit über das Kanban-Board selbst abholen, fördert die Kanban Methode eigenverantwortliches Handeln und setzt voraus, dass sich die Teams selbst organisieren.
Worin unterscheiden sich die beiden Agilen Methoden?
Wie Sie vielleicht beim Lesen schon gemerkt haben: Die Scrum und die Kanban Methode basieren auf denselben Ideen, zeigen aber bei genauem Hinsehen eine Reihe von Unterschieden. Die wichtigsten nehmen wir nun im Folgenden unter die Lupe.
Die Zielsetzung unterscheidet sich
Beim Arbeiten nach der Scrum Methode geht es in erster Linie um die (Weiter-)Entwicklung eines Produktes, während die Kanban Methode die Kontrolle und Beschleunigung des Arbeitsprozesses fokussiert.
Das Ziel von Scrum ist es, regelmäßig zu ermitteln,
- welche Aufgaben in der nächsten Arbeitsphase erledigt werden müssen
- und wie die Arbeitsweise angepasst werden muss,
damit das Team ein Produkt entwickeln kann, das wirklich wertvoll für Nutzer:innen ist. Es geht darum, so früh wie möglich das Feedback von Kund:innen einzuholen, um daraus etwas für die weitere Produktentwicklung zu lernen.
Im Kanban hingegen geht es darum, die Durchlaufgeschwindigkeit der Aufgaben in einem System zu verbessern, sprich: herauszufinden, wie Aufgaben möglichst schnell und effizient erledigt werden können. Werden dabei Schritte erkannt, die den Prozess verlangsamen, werden sie verbessert.
Die Team-Organisation unterscheidet sich
Während bei der Scrum Methode die Rollen Product Owner, Scrum Master und Team fix sind, kommt die Kanban Methode ohne fest vorgegebenen Rollen aus und fördert so die Selbstorganisation der Mitarbeiter:innen. Dennoch kann es natürlich sinnvoll sein, auch bei der Arbeit mit Kanban zum Beispiel einen Product Owner (oder andere Rollen) einzuführen.
Das führt uns zum nächsten Punkt:
Grad der Veränderung zu Beginn und Flexibilität unterscheiden sich
Wie gerade ausgeführt, starten Sie im Scrum mit 3 vorgegebenen Rollen - was für manche Unternehmen mit einem Schlag eine große Veränderung bedeuten kann, wenn sie beispielsweise stark hierarchisch geprägt sind.
Zusätzlich bringt Scrum viele Vorgaben mit sich, die sich zum Beispiel auf den regelmäßigen Austausch in Form von Events und Artefakte (wie Product und Sprint Backlog) beziehen. Aus diesen Gründen braucht es auch im gesamten Unternehmen die Bereitschaft zur Veränderung, wenn Sie Scrum erfolgreich anwenden wollen.
Da innerhalb eines Sprints keine Veränderungen zum Beispiel am Sprint-Backlog vorgenommen werden sollen, ist das Scrum Team während der Arbeitsphase weniger flexibel in seinen Entscheidungen.
Im Kanban hingegen beginnt die Prozessoptimierung beim Ist-Zustand und wird von dort aus nach und nach optimiert. Stellt sich dabei heraus, dass die aktuellen Hierarchien stören oder der Prozess weitere Rollen verlangt, werden diese Änderungen erst nach und nach vorgenommen. Kanban kommt daher zu Beginn ohne Vorgaben aus und gilt deshalb generell als leichter in der Einführung.
Außerdem können Veränderungen nicht nur jederzeit vorgenommen werden, sondern sind im Rahmen der Prozessverbesserung ausdrücklich erwünscht, sprich: Das Arbeiten nach Kanban bietet Flexibilität zu jeder Zeit.
Hinweis: Gerade, weil im Kanban die strikten Vorgaben fehlen, brauchen Sie und Ihr Team unbedingt einen starken Willen zur kontinuierlichen Verbesserung, um wirklich einen Nutzen aus der Methode zu ziehen.
Rhythmus und Release-Planung unterscheiden sich
Bei der Scrum Methode arbeiten Sie und Ihr Team in zeitlich festgelegten Sprints und releasen jeweils am Sprint-Ende.
Bei der Kanban Methode hingegen arbeiten Sie in einem kontinuierlichen Fluss und liefern Ergebnisse nach dem Continuous-Delivery-Prinzip aus. Denkbar sind auch Auslieferungen anhand von Minimal Marketable Features (MMF) mit eigenem Return-on-Investment oder Service-Packs und Programm-Versionen, sobald bestimmte Anforderungen realisiert wurden.
"Bei der Entscheidung Scrum oder Kanban sollten Sie vor allem darauf achten, welches Ziel Ihr Projekt verfolgt, welche Arten von Aufgaben auf Sie und Ihre Kolleg:innen zukommen, wer die Prioritäten vorgibt und ob Flexibilität während des Workflows gefragt ist."
Welche Methode passt nun zu Ihrem Projekt?
Nachdem Sie die Unterschiede zwischen der Kanban und der Scrum Methode kennengelernt haben, bleibt noch die Frage: Welche der beiden Agilen Methoden wählen Sie nun für Ihr Projekt?
Ihre Entscheidung sollten Sie von verschiedenen Faktoren abhängig machen, die wir hier abschließend betrachten möchten.
Welche Zielsetzung verfolgen Sie?
Wollen Sie ein komplett neues Produkt oder Feature erstellen oder ein bestehendes optimieren? Dann ist die Scrum Methode für Sie und Ihr Team geeignet.
Oder besteht Ihr Projekt darin, Arbeitsabläufe zu beschleunigen und zu optimieren? Dann ist die Kanban Methode die bessere Wahl.
Welche Arten von Aufgaben stehen an?
Handelt es sich bei Ihrem Vorhaben um ein Wartungsprojekt beziehungsweise gibt es viele Betriebs- und Einzelaufgaben zu erledigen? Dann bietet Kanban die bessere Lösung, da es schwierig und meist wenig sinnvoll ist, die Arbeit in Iterationen für ein Team zu planen (da Ihre Mitarbeiter:innen flexibel auf Anforderungen reagieren müssen).
Auch wenn Ihr Unternehmen verschiedene Service-Levels bietet, macht das Arbeiten mit Kanban Sinn, da sich hierüber das Arbeiten an Notfällen und Routineaufgaben abbilden lässt.
Oder steht bei Ihnen stattdessen ein Projekt an, in dem etwas Neues entwickelt oder auch weiterentwickelt werden soll und das eine komplexe Team-Aufgabe darstellt? Dann wählen Sie unbedingt die Scrum Methode:
Die fest geplanten und unveränderlichen Iterationen (Sprints) bieten Ihrem Team den nötigen Schutz und Raum, kreativ und störungsfrei gemeinsam etwas Neues zu erschaffen. Denn hat der Sprint erst einmal begonnen, dürfen keine neuen Aufgaben an das Team herangetragen werden.
Wer gibt die Prioritäten der Aufgaben vor?
Wie im vorherigen Punkt besprochen, ist es ein Unterschied, ob die Anforderungen und Prioritäten von außen an das Team herangetragen werden (wie bei Wartungsprojekten) oder aus dem Scrum Team selbst stammen (meist vom Product Owner, der seiner Produkt-Vision folgt):
Bei der Abhängigkeit vom Außen muss das Team schnell und flexibel auf Notfälle reagieren können, was nur mit Kanban möglich ist. Bei den selbst gesetzten Prioritäten hilft es dem Team, im geschützten Sprint der Scrum Methode selbstbestimmt an der Umsetzung zu arbeiten.
Ist Flexibilität gefragt?
Wenn Sie jetzt schon wissen, dass Ihr Projekt schnelles Reagieren auf sich ändernde Prioritäten erfordert, entscheiden Sie sich in jedem Fall für die Kanban Methode. Bei solchen Projekten bietet Ihnen der kontinuierliche Workflow von Kanban große Vorteile.
Spielt Flexibilität keine oder nur bedingt eine Rolle oder gibt es Mitarbeiter:innen außerhalb des Teams, die sich um Notfälle kümmern, können Sie sich entspannt für Scrum entscheiden.
Welche Kultur bestimmt Ihr Unternehmen?
Wurde in Ihrem Unternehmen bisher eher nach dem klassischen Wasserfall-Modell gearbeitet? Dann kann die Einführung von Kanban für Ihr Projekt einfacher sein, da – wie oben beschrieben – Änderungen und Optimierungen im Prozess erst nach und nach eingeführt werden.
Ebenfalls ein interessanter Faktor für Ihre Entscheidung: Gibt es in Ihrem Unternehmen bereits einen guten kollegialen Zusammenhalt, bei dem ein vertrauensvoller Umgang, transparente Kommunikation und gegenseitige Unterstützung an der Tagesordnung sind? Wenn ja, dürfte die Einführung von Scrum keine allzu große Umstellung bedeuten.
Fazit und eine dritte Möglichkeit
Bei der Entscheidung Scrum oder Kanban sollten Sie vor allem darauf achten, welches Ziel Ihr Projekt verfolgt, welche Arten von Aufgaben auf Sie und Ihre Kolleg:innen zukommen, wer die Prioritäten vorgibt und ob Flexibilität während des Workflows gefragt ist. Nicht zuletzt lohnt es sich, die bisherige Firmenkultur in Ihre Überlegungen einzubeziehen.
Schön und gut, denken Sie jetzt vielleicht, aber was mache ich, wenn es für mein Projekt für beide Agilen Methoden Argumente gibt?
Tatsächlich gibt es die Möglichkeit, Scrum und Kanban miteinander zu kombinieren, so dass sich einzelne Aspekte ergänzen – genannt Scrumban. In dieser Variante nutzen mittlerweile viele Unternehmen einen Mix aus Scrum-Events und -Rollen, der Visualisierung des Sprint Backlogs mit einem Kanban-Board und einem kontinuierlichen Arbeitsfluss, der Flexibilität bietet.
Sie sind nach wie vor unsicher, welche der beschriebenen Methoden für Ihr Projekt das richtige ist? Oder Sie wünschen sich Hilfe bei der Umsetzung und Implementierung? Wir unterstützen Sie gerne dabei.